Nicht selten entscheiden sich Eltern dafür, neben ihren Kindern nicht erbberechtigten Dritten etwas zukommen zu lassen; das können Freunde, Enkelkinder etc. sein. Sie bestimmen im Testament, dass ihnen bestimmte Vermögensvorteile aus der Erbmasse zukommen sollen.
Ein solches Vermächtnis kann beispielsweise auf einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) beruhen. Dem Erben wird mit einem Vermächtnis aufgegeben, bestimmte Vermögensteile aus der Erbmasse an den Bedachten (Vermächtnisnehmer) herauszugeben. Es handelt sich um ein Schuldverhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmer. Auch hier ist vorausschauend abzuwägen, was Sie wollen und wen Sie in welcher Art und Weise etwas zuwenden möchten. Wir beraten Sie hierzu gerne!
Sie können beispielsweise einem minderjährigen Kind (Enkelkinder etc.) etwas in Form eines Vermächtnisses zukommen lassen, aber Sie müssen deren Erziehungsberechtigten mit einbeziehen: Denn wird ein minderjähriges Kind mit einem Vermächtnis bedacht, ist die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter (Eltern) zur Annahme der Leistung erforderlich. Eine Ausschlagungsfrist, wie sie bei der Erbausschlagung (sechs Wochen) zu berücksichtigen ist, gibt es hier nicht. Allerdings kann der Erbe eine Frist zur Annahme des Vermächtnisses setzen (§ 2307 Abs. 2 BGB), damit auch er Gewissheit hat, wie er mit der Erbmasse zukünftig verfahren kann.
Vermächtnisformen im Überblick
Es gibt verschiedene Vermächtnisformen, die wir auszugsweise kurz erklären, damit Sie gezielt eine Vorauswahl treffen und wir vertiefend dazu beraten können:
- Verschaffungsvermächtnis: Der Erbe hat den im Nachlass befindlichen Gegenstand oder dem Erben eingeräumte Recht dem Vermächtnisnehmer zu verschaffen. Ist der Erbe dazu nicht in der Lage, muss er den Wert ersetzen.
- Verteilungsvermächtnis: Der Erblasser benennt mehrere Vermächtnisnehmer, die einen teilbaren Gegenstand erhalten sollen und der Erbe bestimmt, wer welchen Gegenstand erhalten soll.
- Gattungsvermächtnis: Im Gegensatz zum Stückvermächtnis (ein bestimmter Gegenstand) wird der Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt (Geldvermächtnis, Bücher; Pkw, Gemälde, Kleidung etc.).
- Wahlvermächtnis: Der Vermächtnisnehmer darf sich von mehreren Gegenständen nur einen Gegenstand auswählen.
- Zweckvermächtnis: Der Erblasser bestimmt, wer etwas erhalten soll, überlässt Gegenstand, Zeit und Zweckbestimmung dem Erben oder einem Dritten.
Beispiel: Das Enkelkind soll Geldzuwendungen die Ausbildung erhalten und der Erbe soll bestimmen, wieviel erforderlich ist.
- Universalvermächtnis: Der Erblasser vermacht den gesamten Nachlass an den Vermächtnisnehmer und bestimmt, dass im Übrigen die gesetzliche Erbfolge eintritt. Die Erben würden ohne Nachlasswert dastehen und sollten die Erbschaft ausschlagen und einen Testamentsvollstreckung zur Erfüllung des Vermächtnisses beantragen.
- Vorausvermächtnis: Der Miterbe erhält bereits vor seinem Erbteil den Gegenstand oder Geldbetrag. Um dieses Vermächtnis verringert sich dann der Nachlass bei der Erbauseinandersetzung.
- Ersatzvermächtnis: Für den Fall, dass der Begünstigende wegfällt, wird eine Ersatzperson benannt, die den Gegenstand oder den Geldbetrag erhalten soll.
Der Erbe, der das Vermächtnis zu erfüllen hat, darf die auf den Nachlass anfallende Erbschaftssteuer nicht unberücksichtigt lassen. Grundsätzlich hat der Vermächtnisnehmer die auf sein Vermächtnis entfallende Erbschaftssteuer zu tragen. Nach § 20 Abs. 3 ErbStG haftet der Erbe bis zur Teilung für die Erfüllung der Erbschaftssteuer durch den Vermächtnisnehmer, weshalb dem Erben ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Vermächtnisnehmer bis zur Begleichung der anteiligen Erbschaftssteuer zusteht. Hat der Erbe die Erbschaftssteuer vollständig beglichen, kann er die Herausgabe des Gegenstandes solange verweigern, bis der Vermächtnisnehmer seinen Steueranteil an den Erben ausgeglichen hat.
Bestehen Pflichtteilsansprüche Dritter, die der Erbe zu erfüllen hat, darf er das Vermächtnis nach bestimmten Verteilungsgrundsätzen (§§ 2318 – 2323 BGB) kürzen. Im Innenverhältnis von Erbe und Vermächtnisnehmer ist die Pflichtteilslast zwischen beiden zu verteilen, sodass sich das Vermächtnis verringert und der Erbe im Außenverhältnis seiner Pflichtteilsverpflichtung nachkommen kann. Bevor Sie ein Vermächtnis erfüllen, ist ein Ihnen zustehendes Kürzungsrecht gegenüber dem Vermächtnisnehmer (Bedachten) zu prüfen; wir helfen Ihnen!
Nun wie versprochen zur Lösung unseres Fallbeispiels vom 16.01.2023:
Zunächst ist zu klären, ob das Testament zwischen den Eheleuten (E u. F) noch wirksam ist oder durch den Erbvertrag wirksam ersetzt wurde, den F mit A geschlossen hat, nachdem E verstorben ist. Dies beantwortet das Gesetz ziemlich einfach: Mit dem Tod des E entsteht eine Bindungswirkung und ein neues Testament oder Erbvertrag ist unwirksam, weil im Zweifel eine wechselseitige Verfügung getroffen wurde (§ 2270 Abs. 2 Var. 1 BGB).
Es gibt eine Ausnahme: Der Bedachte (hier der R) müsste sich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht haben (§§ 2294, 2336 BGB) oder F könnte die Zuwendung des verstorbenen E ausschlagen und dann für sich selbst nach ihren Vorstellungen verfügen. Beides liegt nicht vor. F hat das Testament auch nicht mit dem beim Notar geschlossenen Erbvertrag angefochten, was möglich gewesen wäre, wenn die Eheleute E u. F bei Testamentserrichtung davon ausgegangen sind, dass sie kinderlos bleiben, aber dann doch ein Kind bekommen haben. Da die Eheleute das Testament so gewollt haben, auch wenn sie später einmal Kinder haben werden, liegt kein Irrtum als Anfechtungsgrund vor. R ist Alleinerbe geworden; aber F hat das Haus vor ihrem Tod dem A übertragen.
An dieser Stelle ist die Auslegung des Testaments in Richtung Trennungslösung oder Einheitsprinzip von Bedeutung (siehe Blog vom 16.01.2023). Beim Trennungsprinzip treten die Sanktionen der § 2112 ff BGB ein: Eine Verfügung über Grundstücke wäre danach unwirksam, weil es den Nacherben R nach dem Tod der F benachteiligt (Exkurs: Stirbt bei der Trennungslösung F, würde R als Nacherbe (§ 2100 BGB) bei Eintritt des Nacherbfalles den E als Nacherbe beerben). Es ist hier von einer Einheitslösung auszugehen, womit die Sanktion des § 2113 BGB nicht greift und F rechtswirksam an A übereignen konnte; A ist zunächst Eigentümer geworden. F wollte aber, dass R nichts bekommt und hat in sog. Beeinträchtigungsabsicht dem R gegenüber das Grundstück dem A geschenkt. Deshalb kann R von A die Herausgabe des Grundstücks verlangen (§ 2287 BGB/ § 812 BGB). … Hätten Sie es gewusst?