Sie sind verheiratet oder leben in einer Lebenspartnerschaft nach § 10 Abs. 4 LPartG (kurz Lebenspartnerschaftsgesetz) und möchten sich wechselseitig im Erbfall absichern. Vielen fällte gleich das sog. Berliner Testament ein, aber auch hier lauert die Gefahr im Detail.
Allgemeines zum Erbrecht
Bei einem gemeinschaftlichen Testament handelt es sich um eine Zusammenfassung von gemeinschaftlich getroffenen, letztwilligen Verfügungen. Diese werden von mehreren Personen getroffen und ist nur möglich für Ehegatten (§2265 BGB) und Lebenspartner (§10 Abs. 4 LPartG). Ein gemeinschaftliches Testament kann auch von Verlobten errichtet werden, wird aber erst durch eine spätere Heirat wirksam. Der Unterschied zu einem Einzeltestament besteht darin, dass die getroffenen Verfügungen widerrufbar sind. Bei einem gemeinschaftlichen Testament muss man zwischen einseitigen und wechselseitigen Verfügungen unterscheiden (§2270 BGB). Von einer wechselseitigen Verfügung spricht man, wenn sich die Ehegatten gegenseitig in einem Testament bedenken oder sich gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass der gesamte Nachlass nach dem Tode des zuletzt Versterbenden auf z.B. die Kinder übergehen soll (§2270 Abs. 2 BGB). Wenn eine wechselseitige Verfügung vorliegt, hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung auch die Unwirksamkeit der anderen Verfügung zur Folge (§2270 Abs. 1 BGB).
Anhand folgenden Beispiels lässt sich die Problematik eines gemeinschaftlichen Testaments erläutern:
„Der zuerst sterbende Ehegatte setzt den überlebenden Ehegatten zum Alleinerben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll Sohn M die gesamte Erbschaft erhalten.“
Hier haben sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben und einen Dritten als Erben des überlebenden eingesetzt. Dabei stehen zwei Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, die Trennungslösung und die Einheitslösung.
Bei dem Trennungsprinzip wird der überlebende Ehegatte Vorerbe (Nachlass und Eigenvermögen werden dadurch getrennt), der Dritte (z.B. das Kind) wird Vollerbe des Überlebenden und Nacherbe des Verstorbenen. Bei dem Einheitsprinzip wird der überlebende Ehegatte Vollerbe (damit verschmelzen die Vermögensmassen zu einer) und der Dritte Vollerbe des zu einer Einheit verschmolzenem Nachlasses des Überlebenden. Bei der Einheitslösung spricht man auch von einem Berliner Testament. Welche Lösung gewollt ist, muss klargestellt werden. Im §2269 Abs. 1 BGB befindet sich zwar eine Auslegungsregel, wonach im Zweifel die Einheitslösung angenommen wird, jedoch sollte verdeutlicht werden, welche der beiden Lösungen gewollt ist. Gerade für das Pflichtteilsrecht kann dies Konsequenzen haben.
Ein anderer Problemkreis des gemeinschaftlichen Testaments ist die Bindungswirkung.
Sobald wechselseitige Verfügungen vorliegen, hat dies Auswirkungen auf die Widerruflichkeit und Anfechtbarkeit. Wie bereits dargestellt, können einseitige Verfügungen vom Erblasser jederzeit widerrufen werden. Zwar kann bei wechselseitigen Verfügungen der Erblasser gegenüber dem Ehegatten frei widerrufen, jedoch nur durch eine notarielle Beurkundung gegenüber dem anderen (§§2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB). Problematisch wird es, wenn ein Ehegatte verstirbt. Damit verliert der Überlebende sein Widerrufsrecht (§2271 Abs. 2 S. 1 BGB) und kann die Erbeinsetzung nicht mehr abändern.
Es sollte daher gut durchdacht werden, ob Sie ein gemeinschaftliches Testament erstellen möchte oder sich doch für andere alternativen entscheidet. Wir beraten Sie dazu gerne.
Folgende Vor- und Nachteile können die Wahl erleichtern:
Bei dem Berliner Testament geht nach dem Tod des Ehegatten der gesamte Nachlass auf den überlebenden Ehegatten über. Greift jedoch die gesetzliche Erbfolge ein, erhält der überlebende Ehegatte nur 50% der Erbmasse. Der Rest der Erbmasse wird auf die gesetzlichen Erben aufgeteilt z.B. die Kinder. Wenn die Ehegatten im Besitz einer Immobilie sind, kann durch ein gemeinschaftliches Testament die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen werden und die Kinder können erst einen Anspruch auf die Immobilie geltend machen, wenn beide Elternteile verstorben sind. So wird verhindert, dass der Partner die Immobilie verkaufen muss, um die Nachkommen auszuzahlen. Außerdem kann durch ein einziges Dokument die Verfügungen beider Partner zusammengefasst werden. Nachteile des gemeinschaftlichen Testaments sind, dass die Kinder das gesamte Vermögen der Eltern erben und dies schnell den Freibetrag übersteigt. Somit kann ein steuerlicher Nachteil für die Kinder entstehen. Nachteilig ist auch die starke Bindungswirkung, welche die Testierfreiheit des überlebenden Ehegatten stark einschränken kann. Dies kann jedoch durch die Aufnahme von Änderungsvorbehalten umgangen werden.
Ob man sich nun für eine gemeinschaftliches Testament oder doch eine andere Alternative entscheidet, muss individuell auf den Fall und die Bedürfnisse des Erblassers angepasst werden. Wir beraten Sie gerne, damit Sie die Problemkreise des gemeinschaftlichen Testaments oder des Vererbens ganz allgemein „erbsicher“ bewältigen.
Zum Schluss ein Fallbeispiel: Wie würden Sie entscheiden?
Sachverhalt:
Der Ehemann (E) beschließt gemeinsam mit seiner Frau (F), dass sie R zum Erben einsetzen wollen. F setzt folgendes handschriftliches Testament auf:
„Der zuerst sterbende Ehegatte setzt den überlebenden Ehegatten zum Alleinerben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll Roland Reiser die gesamte Erbschaft erhalten.“
Beide unterschreiben das Testament und versehen es mit Ort und Datum.
Später wird F schwanger. Kurz nach der Geburt der Tochter (T) verstirbt E.
F lernt später A kennen und will nun nicht mehr an das Testament mit E gebunden sein. Außerdem will sie nicht, dass R etwas erbt. Später errichten F und A beim Notar einen formwirksamen Erbvertrag. F verschweigt die Existenz der früheren testamentarischen Verfügung. Um die Zuwendungen an R zu schmälern, verschenkt und übereignet sie A formwirksam ein Grundstück, welches sie von E geerbt hat. Nachdem F verstirbt, verlangt R von A die Räumung des Grundstücks.
Wie würden Sie entscheiden? Lösung folgt im nächsten Beitrag!