Seit 2011 (Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH im Jahr 2009 und der korrigierenden KHS-Entscheidung des EuGH im Jahr 2011) gilt in Deutschland, dass Urlaubsansprüche spätestens 15 Monate nach dem Ende des regulären Urlaubsjahr verfallen.
Die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2020 verfallen beispielsweise gesetzlich zum Ablauf des 31.12.2020. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Übertragung auf das Folgejahr bis zum 31.03.2021 möglich.
Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern, die ihren Urlaub aufgrund der Arbeitsunfähigkeit also weder bis zum 31.12. des jeweiligen Jahres in Anspruch nehmen konnten, noch bis zum Ablauf des Übertragungszeitraumes zum 31.03. des Folgejahres , gilt bislang, dass der Urlaub spätestens nach 15 Monaten verfallen. Im Beispiel also spätestens mit Ablauf des 31.03.2022. Danach ist der Urlaubsanspruch weg.
Im Jahr 2018 entscheid der EuGH mit Urteil vom 06.11.2018 (Rs. C-684/16) allerdings: „Der Arbeitgeber hat konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn ‒ erforderlichenfalls förmlich ‒ auffordert, dies zu tun.“.
Diese Entscheidung wiederum bewegte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt wie folgt zu entscheiden: Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch freiwillig nicht genommen hat (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15).
Was aber ist nun, wenn der 15-Monatszeitraum bei einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer überschritten ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über die Verfallsfristen belehr hat?
Diese Frage legte nunmehr der 9. Senat des BAG dem EuGH zur Beantwortung vor. Der EuGH hat also nun zu entscheiden, ob der Jahresurlaub eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers auch verfällt, wenn der Arbeitgeber etwa meint, eine Belehrung sei sinnlos, da der Arbeitnehmer ja sowieso nicht zur Arbeit erscheine.
Wir bleiben für Sie stets aktuell und berichten, sobald der EuGH seine Entscheidung bekannt gegeben hat.
– Dr. Antje Reinhardt-Gilmour, Rechtsanwältin